helden des alltags

waschraum

in alten zeiten war heldentum nicht nur ein leeres wort und kämpfe wurden ehrenvoll und mit hehren zielen ausgetragen. dem ruhmvollen drachentöten, raubritterbezwingen und leibeigenenbefreien sind heute aber leider andere, weit unspektakulärere grabenkämpfe gegen unrechtmässigkeiten des alltages gewichen. jeder kennt die zeitgenossen, welche sich dem letzten heldenhaften ziel der heutigen zeit verschrieben haben, nämlich der einhaltung der waschküchenordnung.

dieses regelwerk – in jedem mietshaus mit gemeinschaftswaschküche zu finden – beschreibt zumeist detailliert die regeln, welche vor, während und nach dem kleiderwaschvorgang dringend einzuhalten sind. denn wehe, wenn der filter nicht ausgespült und getrocknet auf die offene und gereinigte maschine gelegt, die waschmittelschublade nicht zum trocknen offen gehalten, der boden nicht vom schmutze befreit, wasser und strom nicht ausgeschaltet, und vor allem die waschzeit und das waschdatum mit signatur im blauen notizbüchlein festgehalten werden. das resultat wäre verheerend. ein unheiliger teufelskreis würde in gang gesetzt, da der verärgerte nachbenutzer – sich ebenfalls nicht an die regeln haltend – den ort des geschehens in traurigem zustande zurücklassen würde, unweigerlich durch die nochmalige benutzung diesen noch verschlimmernd. dunkle zeiten würden anbrechen, nachbarschafts- und dann bürgerkrieg, chaos, verwüstung, anarchie und das alles im unschicklich speckigen leibchen, da ein nichteinhalten der waschregeln erst zu fehlfunktionen der wascheinrichtungen, später zu völliger unbrauchbarkeit ebendieser führen würde.

zum grossen glück für die menschheit gibt es aber diese unerschrockenen, welche sich dem ziel verschrieben haben, die einhaltung der waschordnung geheimpolizeihaft zu überprüfen. bei regelverstössen greifen diese zeitgenossen zum kugelschreiber wie einst der drachentöter zum zweihänder und schreiben mit spitzer feder kommentare im blauen notizbüchlein nieder, welches ihnen sozusagen das letzte feld der ehre ist, der letzte ort ehrenvoller kämpfe um recht und ordnung und heimat und einen waschküchenboden, welchen man sogar mit der zunge zu berühren vermöge ohne dass es einen graust. So tönt es dann: «bitte das nächste mal nicht nur die maschinen füllen, sondern auch die wäsche wieder rausnehmen, andere wollen auch waschen». oder: «wer war das, wer hat die maschine nicht geputzt und die wäsche so lange drinnen gelassen. wir melden das, so geht das nicht». und – soviel möchte ich dem leser versichern – die sache zu melden ist beileibe keine leere drohung. solche zeilen sind aber nicht nur ein zeichen, dass es menschen gibt, die sich der guten sache im kampfe für die waschküchenordnung verschrieben haben, sondern auch für mich immmer wieder ein grund, im blauen notizbüchlein auf der waschmaschine ein paar seiten zurückzublättern und mit wahrer erheiterung die heldentaten zu verfolgen, welche seit meinem letzten waschtag stattgefunden haben. geben mir doch diese den glauben an das gute im menschen zurück und lassen mich innnerlich gestärkt meinen alltag bestreiten, im wissen, dass jemand wacht über die einhaltung der regeln und somit sicherstellt, dass wir alle diesen alltag im sauberen leibchen bestreiten können.

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