«Bist du schon nervös?»

Das ist die Frage, die mir momentan viele verständnisvoll blickende bereits der Vaterfreuden anheimgefallene Alltagsbegegnungen zu stellen pflegen. Ich bin ja jetzt sozusagen eingetreten in die letzte Vorvaterschaftsphase. Da es nun eigentlich jederzeit soweit sein könnte, hat das Mobiltelefon allzeit in Griffweite zu weilen, sobald ich mich ausser Rufweite der werdenden Mutter begebe. Sobald dieses zu läuten anhebt und dann auch noch die Rufnummer derselben auf der Anzeige erscheint, muss mit dem Ernstfall gerechnet werden. Zumal es sich bei den darauf folgenden Konversationen aber immer – jedenfalls bis zum jetzigen Zeitpunkt – nur um die grundsatzorganisatorischen profan anmutenden Dinge des Alltags zu drehen pflegt, kommt eigentlich gar nicht so eine richtig angemessene Nervosität auf. So trägt auch ein viel zitierter Hauptindikator für die umgehend bevorstehende Geburt nicht richtig dazu bei, eine anständige Nervosität aufzubauen; Ich habe nun schon mehrmals gehört, man müsse auf einen mehr als normal geöffneten Muttermund achten. Der Mund der angesprochenen zukünftigen Mutter ist nämlich – vor allem während ich mich in schon erwähnter Rufweite aufhalte – während angeregter Gespräche häufig offen. Wäre dem nicht so hätte man ja auch Mühe, auch nur ein Wort zu verstehen.

Da also aus obengenannten Gründen eine gesunde nervöse Grundhaltung nicht so recht aufkommen will, beschäftige ich mich mit allerlei Vorbereitungen. Das Fernsehzimmer wird kurzerhand zum Kinderzimmer umfunktioniert. Das tönt jetzt einfacher, als es in Tat und Wahrheit dann wirklich ist, denn alleine mit der Namensänderung für besagtes Zimmer ist es ja wohl kaum getan. Es fängt schon damit an, dass ein ausgewachsenes Unterhaltungssystem nicht kompetent durch ein noch nicht so ausgewachsenes Kind bedient werden kann, weshalb sinnvoll erscheint, jenes in einen anderen Raum zu verlegen. Auch das Möbelstück, auf welchem das System installiert ist, eignet sich kaum zur Wiederverwendung als Wickeltisch, möchte man nicht mit einem bleibenden Haltungsschaden aus der Wickelzeit hervorgehen. Sowieso, der Wickeltisch! So riesig erschien er gar nicht in der grossen Möbelausstellung des schwedischen Einrichtungsbedarfshauses. Aber schon das Gewicht der Verpackung lässt mich Schlimmes erahnen. Augenscheinlich handelt es sich dabei um feinste schwedische Eiche. Nach dem Auspacken muss ich feststellen, dieses Gerät hat mehr Teile als ein typisches Fertigelementemehrfamilienhaus. Beim Zusammenbau muss bitter büssen, wer nicht voll und ganz bei der Sache ist. Die Querverstrebungen sehen alle gleich aus, aber haben gemeinerweise alle sehr phantasievoll angeordnete, unterschiedliche Bohrungen, weshalb schon ein kleiner unbemerkter Fehler dazu führt, dass man kurz vor Schluss wieder die Hälfte auseinandernehmen darf. Da kann man wenigstens niemandem vorwerfen, er habe zu viel überlegt. Alles in allem eher eine Aufgabe für Leute, welche sich freiwillig mit Hunderttausendteilepuzzles den Feierabend zu versüssen pflegen.

Als das Jahrhundertprojekt endlich komplett zusammengezimmert am gewählten Platz steht, kündigt meine Gattin frohgemut an, dass jetzt noch ein farbenfrohes Mobile an die Decke gehängt werden soll. Na toll. Ehrlich gesagt fürchte ich mich jeweils ein ganz klein wenig davor, Dinge aufzuhängen. Nicht vor dem Aufhängen an und für sich, sondern dem davor unvermeidlichen fachmännischen Anlegen eines Bohrloches zur korrekten Verdübelung der Aufhängungsvorrichtung. Trotzdem guten Mutes wird also der Bohrer angesetzt. Dieser geht durch die dünne Verputzschicht wie durch Butter. Danach wird auf Schlagbohren umgeschaltet. Bei diesem Schritt gilt es immer, die grösstmögliche Vorsicht walten zu lassen, denn während in den darüberliegenden Stahlbeton gebohrt wird, pflegt sich das anfänglich noch kleine Loch im Verputz unversehens in einen riesigen Dachschaden auszudehnen, während mir scheint, dass die Vibration der preiswerten Migrosbohrmaschine eher auf mich wirkt als auf den Stahlbeton, jeder, wirklich jeder im ganzen Haus dem Kreischen gehärteten Stahls auf Beton lauschen darf und der Putz munter auf mich herunterrieselt wie ein mittelmässiger Schneesturm, was dann wirklich kein schöner Anblick mehr ist und auch kräftig am schon angeweichten Nervenkostüm herumrüttet. In genau diesem Moment würde ich die anfänglich erwähnte Frage wohl mit einem kräftigen Ja beantworten können.


Mobile aus Kindersicht. Zum Zwecke dieser Aufnahme hat die bildaufnehmende Person die korrekte Gewickeltwerdenhaltung auf der Wickelarbeitsoberfläche einzunehmen, möglichst ohne sich dabei ernsthaft das Rückgrat zu verstauchen.

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