Mir ist gerade nicht so gut. Wenn man mich diese Worte sprechen hört, dann kündigt sich vom Magengedärmtrakt ausgehendes Unheil an. Oder eher ausbrechendes Unheil, wenn Sie wissen was ich meine. Dieser Satz weckt Erinnerungen an fettige, im Paniermehl versteckte Tintenfischteile in Australiens Busch, wo man noch Mut zur Lücke in der Kühlkette zeigt, an kaltes Vortageshuhn auf dem Salat in den Malediven, unaussprechliches, wahrscheinlich jahrelang rezykliertes Fritieröl in Peru und nachmitternächtliche Pizzen mit unheilschwanger müffelndem Mozzarella in Bern. Ich kann mich also kosmopolitescherweise rühmen, schon vielerorts gegessen und auch das Gegenteil davon gemacht zu haben.
Wo ich gerade bei diesem Thema bin: Ich kannte mal einen jungen Mann, den sie «Brechi» riefen. Dies ist in den allermeisten Fällen die Abkürzung für den Nachnamen Brechbühler. Nicht jedoch bei diesem Exemplar. Er heisst überhaupt gar nicht einmal so ähnlich. Sein Rufname ist eher auf eine bestimmtes Vorkommnis im Zusammenhang mit Umkehr der Nahrungsaufnahme zurückzuführen, auf das ich hier nicht näher eingehen möchte, wenn sie wissen was ich meine.
Abhängige vom Lohn eines grösseren Unternehmens – wozu ich mich auch zählen darf – sind oft in der glücklichen Lage, vom Angebot eines Personalrestaurants profitieren zu dürfen. Wobei ich den Begriff Kantine vorziehe, da ich die Verwendung des Wortes Restaurant in diesem Zusammenhang eher als unangemessen empfinde. In dieser Sättigungseinrichtung strömen mittags die Arbeitnehmer aus allen Richtungen zum Zwecke der Nahrungsaufnahme zusammen. Dort kriegen sie das schweizweit gleiche Menu aufgetischt. Das ist keine Verschwörung, sondern ökonomischer Einkauf. Natürlich kann der gute Koch aus der Convienience-Food-Pampe noch einiges herauskitzeln, um den Lohnsklaven mit unerwarteten Gaumenfreuden zu erheitern. Allerdings ist der gute Koch im Normalfall nicht in einer Kantinenküche anzutreffen. So scheint bereits die die hochkomplexe Zubereitung solch exotischer Ware wie Kartoffeln die mediokren Abilitäten derartiger Küchenkoryphäen vor unlösbare Probleme zu stellen. Ich habe Anlass zu vermuten, dass Saucen aus der immer gleichen Basis-Bschütti*, dem so genannten «Jus», gezaubert werden. Dieser wird wahrscheinlich aus dem Fett von Babyrobben gemacht, vermengt mit derartigen Mengen hochallergenen Geschmacksverstärkers, dass es selbst dem Koch des Chinarestaurants von nebenan nicht mehr so ganz gefallen würde. Der erfahrene Kantinenaufsucher wünscht den Mitessern übrigens nicht «einen guten Appetit», das wäre ein klassischer Fehltritt vor Knigge. In der Kantine muss es viel mehr heissen «viel Glück», was man ganz allgemein auf Kaubarkeit, Verdaubarkeit und bleibende Schäden bezieht. Man sollte ein Buch über Arbeitnehmer und Kantinen der Schweiz schreiben. Ein schonungsloser Report mit dem Titel «Der Arbeitnehmer von heute: Gebildet, jung, eloquent, dynamisch, erfolgreich und magenverstimmt».
Ich sehe gerade, man will heute ein Hirschnitzel feilbieten. Nitzel? Welcher Teil des Hirsches bloss damit gemeint ist? Nein Danke! Wie der Volksmund sagt: Der Glauser geht zur Kantine bis er bricht.
* Bschütti: Berndeutsch für meist auf Bauernhöfen in rohen Mengen (sozusagen hektoliterweise) vorhandene, in schwimmbadartigen Becken zum Zwecke des Düngens aufbewahrte und vor sich hinstinkende Kuhfäkalien in Flüssigform. Auch in der etwas strenger riechenden Geruchsvariante «Schwein» erhältlich.
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