Gemeinschaftswohnlandschaften und der weibliche Akzeptanzfaktor

Das Nahen gesetzteren Alters bringt ja bekanntlich eine gewisse Mitteilsamkeit betreffend längst vergangener Ereignisse mit sich. Aber machen sie sich nicht ins Hemd; dies ist weder Zeit noch Ort um ihnen gleich meine bisherigen Memoiren – umfangstechnisch vergleichbar mit einer mindestens zwölfbändigen Enzyklopädie umhüllet im feinsten Schweinsledereinbande – unterzujubeln. Vielmehr möchte ich nur ein einzelnes Thema aufgreifen, welchem aber zweifelsohne einiges an Unterhaltungspotential innewohnt.

Haben sie je mit Leuten eine Wohnung geteilt, jedoch ohne eheliche Pflichten* oder familiäre Bindung? Richtig, es geht um die praktische Einrichtung der sogenannten Wohngemeinschaft, salopp abgekürzt WG. Ich durfte zwei interessante Jahre meiner Studienzeit in der unangefochtenen Königskategorie eines ebensolchen Wohnprojektes zubringen, der Männer-WG. Männer, so muss man wissen, haben üblicherweise andere Prioritäten als die holde Weiblichkeit. Obwohl: Der letzte Satz ist missverständlich formuliert, die holde Weiblichkeit ist natürlich eine Priorität der meisten Männer, aber sie wissen was ich meine. Der Themenkomplex jenerPrioritätsdifferenzen beginnt bei der Definition von Gemütlichkeit und endet bei der wahrnehmungspsychologisch nicht so genau erforschten Sauberkeitsuntergrenze.

Das Thema Gemütlichkeit in der Männerwohngemeinschaft ist schnell abgehandelt. Die Gemütlichkeitsgrundbedürfnisse des Mannes sind – wie der Mann selber – grundeinfach. Während Frauen meist eine Art perfekt aufgeräumter und stilvoll arrangierter Möbelausstellung zu bewohnen vorziehen pflegen, haust der Mann gerne auch in einer eigenartigen Wohnlandschaft, zusammengewürfelt aus Brockenstube und Ikea. Völlig unwichtig dabei sind solch eitler Tand wie Kerzen und farblich aufeinander abgestimmte Kissen, solange die Wege zwischen Fernseher, Bett, Grill und Biervorrat kurz und barrierefrei angelegt sind und der Internetzugang überall verfügbar und schnell. Da können auch schon mal dicke Kabelwürste quer durchs Wohnzimmer verlegt den WAF** ganz empfindlich in Nähe des absoluten Tiefstwertes prügeln. Der in solcherlei Männerhabitaten angetroffene Möbelfundus ist ja eher preiswerter Natur. Mit einer Ausnahme: Die Unterhaltungselektronik. Der Fernseher muss grotesk gross sein und der Subwoofer des Heimkinosystems schon auf kleiner Lautstärke in der Lage, die Scheibe der Küchendurchreiche durch den verursachten Schalldruck zum Scheppern zu bringen.

Auf die Gefahr, mich schon hier zu wiederholen. Der Mann ist einfachen Gemütes. Dies äussert sich auch bei der Wahl des geeigneten Mitbewohners. Ein aufeinander abgestimmter Monatszyklus muss nicht angestrebt werden. Nur so richtig irritierende Eigenschaften und Angewohnheiten könnten zum Zerwürfnis unter den Insassen und damit zum Scheitern des Wohnprojektes führen. Etwa wenn jemand sich des Nächtens selber geisselt, laut aus dem Necronomicon des verrückten Arabers Abdul Alhazred rezitiert, lauter Schnarcht als der Subwoofer, ein Schlagzeug im Zimmer hat und dieses auch benutzt, nur in Filmzitaten deutscher Synchronfassungen spricht, stundenlang laut mitintonierend Walgesangaufnahmen hört oder Kunst aus Schlachtabfällen modelliert.

Um mit einem verbreiteten Irrglauben hier kurzen Prozess zu machen: Es gibt im Kühlschrank kein Gemüsefach, sondern eine Bierschublade. Die Ernährung in der Männerwohngemeinschaft bewegt sich irgendwo zwischen Pizzalieferservice und Ann Asbest-Fertiggerichten***. Wohl dem, der einen Kebapstand in Gehweite hat, enthält doch dies Wunderwerk türkischer Küche auch Salat und stellt so die Vitaminversorgung wenigstens einigermassen sicher, denn sonst würde wohl der Tod durch akuten Skorbut beschwingten Schrittes den nichtsahnenden Mikrowellenspaghettikonsumenten hinwegzuzehren in die Lage versetzt. Und: Um der Gefahr akuten Unwohlseins aus dem Weg zu gehen ist es anzuraten, dem Kühlschrank nur Lebensmittel in intakter Verpackung zu entnehmen, da gewisse Dinge im häufig geöffneten Gebinde dort bereits länger wohnen als alle momentanen Bewohner des dem jeweiligen Kühlschrank zugehörigen Appartementes zusammen. Glauben sie mir, sie wollen den Pilz, welcher sich in Eisteetetrapacks bildet – und der erstaunlicherweise trotz Nässe staubt – weder sehen noch trinken. Auch den ganz persönlichen Gammelfleischzwischenfall oder die Begegnung mit lebendem Joghurt sollten sie sich ersparen.

Wenn einen der Joghurt schon anschaut, ist er nicht mehr zum Verzehr geeignet.

Ein Erlebnis ganz eigener Facon sind üblicherweise auch die durchgeführten Festivitäten. Im Vorfeld einer solchen muss dann oft die Einrichtung etwas umgestellt werden. Ich erinnere mich noch als wäre es gestern, bei einer dieser Gelegenheiten den Marmortisch eines Mitbewohners aus dem Weg geräumt haben zu wollen. Ich schoss dabei aber etwas übers Ziel hinaus, als beim Anheben der Tischplatte die -beine an Ort stehenblieben und ich einen Meter weiter mit ebendieser Platte im Zeitlupentempo zu Boden herniederging wie der sterbende Schwan, die Platte sich beim unweigerlich folgenden Aufprall in zwei an Moses Gebotstafeln erinnernde Stücke aufsplitternd. Zum Glück war dieses Bijou kein Familienerbstück sondern ein Restposten aus dem Ramschmarkt. Aber auch andere Beiträge erheitern die Gesellschaft, wenn etwa dieser Typ, der den grössten Teil des Abends auf dem Sofa liegt wie ein Zombie, so dass man sich schon fragt, ob er wohl spontan abgelebt sei, sich dann doch urplötzlich mit starrem Blick aufrichtet. Und alsbäldiglich ohne Umschweife im Strahl auf den Sofaschutzüberzug kotzt.

Zu Thema Sauberkeit ist anzumerken: In meiner Wohngemeinschaft konnte man vom Boden essen. Und wurde dabei sogar satt. Kein Ort für Kinder, die auch ein schon Jahre altes unter dem Sofa gefundenes Pomme Frite noch genüsslich verspeisen. Fürwahr, die männliche Sauberkeitsuntergrenze ist ein kaum erforschtes Thema. Auch nicht gerade begünstigend wirkt es da, dass das Erreichen dieser Untergrenze nicht wie bei der Frau an das automatische erwachen eines starken Putztriebes gekoppelt sein muss, sondern eher an die schon fast zwanghafte Entwicklung von Vermeidungsstrategien. Seien sie sich versichert, Mann kann sehr lange mit dem Gedanken schwanger gehen zu putzen. Bevor das Gesundheitsamt einschreitet, entscheiden sich viele für ein System. Zum Beispiel das Uhrsystem. Dabei werden die Namen aller Mitbewohner wie bei einer Uhr kreisförmig angeordnet aufgeschrieben. In der Mitte wird ein Zeiger montiert. Wenn jemand den Zeiger bei seinem Namen findet ist er angehalten, den nächsten substantiellen Beitrag zur Haushaltsarbeit zu erledigen, welcher anfällt. Danach stellt er den Zeiger auf den nächsten Namen. Je nachdem bleibt die Uhr dann für die nächsten Jahre auf diesem  Namen stehen. Wenigstend die Mülltrennung geht Männern leicht von der Hand. So hatten wir im Flur einen Schrank, der einzig und allein der Zwischenlagerung von Pizzalieferserviceschachteln gewidmet war. Er wurde immer geleert, sobald der Stapel vom Boden zur Decke reichte. Das Ausräumen ebendiesen Schrankes glich aber immer ein wenig dem Öffnen der Büchse der Pandora, da es sich ja nicht um eine reine Kartonsammlung handelte, sondern um Pizzapackungen, oft mit entsprechendem Restinhalt.

Aus diesem längeren Abschnitt zum Thema Sauberkeit und Ordnung sollte der allenfalls an einer WG-Gründung interessierte folgende Tatsachen herauslesen: Teppichboden ist schlecht, alles war mit dem Kärcher**** gereinigt werden kann gut. Und es ist normal, dass sich Damenbesuch unglaublich schnell in das Zimmer des jeweiligen Partners verzieht. Nicht etwa, weil es dort sauberer ist. Nein, aber wenigstens nur von einer Person speckig.

*Eheliche Pflichten (des Mannes): Hinaustragen der Müllsäcke. Was haben denn sie gedacht.

**WAF: Woman acceptance factor. Neudeutsch für den weiblichen Akzeptanzfaktor technischer Neuerwerbungen im Haushalt, meist Unterhaltungselektronik oder Computer. Beispiel: Geräte mit angebissenen Äpfeln im Logo sind gut, frei hängende Kabelkanäle an der Wohnzimmerdecke eher verbesserungswürdig.

***Ann Asbest: Die gemeine Halbschwester von Betty Bossi.

****Kärcher: Dieses Gerät gehört in eine rechtschaffene Werkzeugsammlung. Vergessen sie tumbe Dampfreiniger, mit diesem Gerät können sie kärchern auf dass der Verputz von der Wand brösmelet.

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Die letzten ungeklärten Fragen der Menschheit. Oder zumindest einige davon.

Fürwahr, es sind dies nun wieder einmal die in schöner Unregelmässigkeit wiederkehrenden Tage in meinem Leben, wo ein tief empfundenes Bedürfnis sich in mir breitzumachen pfleget, mich schreibend zu betätigen. Leider aber sehe ich mich nicht in der Lage, ein angemessen bedeutungsschweres und -schwangeres Thema als Dreh- und Angelpunkt dieses Textes identizufizieren. Um der daraus unweigerlich folgenden Prokrastination* in Bezug auf die schreibende Betätigung mutig entgegenzutreten, bin ich nun alsbald gebührlich in mich gegangen, um die Frage zu beantworten weshalb dem eigentlich denn nun so ist. Und die Antwort, oder besser gesagt die Antworten darauf sind – wer hätte das gedacht – ironischerweise keine echten Antworten, sondern Fragen. Fragen, die mich tief zu beschäftigen im Stande sind und die ich hier einmal in einer losen Zusammenstellung zugänglich zu machen mich eigentlich fast gezwungen sehe. Ohne Zaudern und ohne im metaphysischen Dunstkreis der vielzitierten Umschweife herumzudümpeln komme ich deshalb hier zur Sache.

  • Falls sie ab und an den modernen Hort körperlicher Ertüchtigung zwecks Instandhaltung einer gewissen Grundgesundheit** aufsuchen und sich aufgrund männlicher Geschlechtszugehörigkeit für den Akt des Umkleidens in die Garderobe ebenselbiger Geschlechtsgenossen begeben, sind ihren armen Sehorganen sicherlich auch schon ungeheuerliche Dinge widerfahren. Dinge, die man eigentlich eher der Verdrängung zum Zwecke süssen Vergessens anheimfallen lassen möchte, denn je darüber nachdenken oder gar sprechen zu müssen. Weshalb in aller Welt sehen sich Männer älteren Baujahres veranlasst, den grössten Teil ihres Aufenthaltes im Umkleideraum komplett ohne Beinkleid zu verbringen? Welch grauslich Schauspiel muss man da mit ansehen, wenn beim Ausziehen noch vor Schuhen und Jacke sämtlich Beinkleid entfernt wird! Auch beim Ankleiden ist es nicht besser, denn man kann sich absolut sicher sein, dass zuerst Unterhemd, Hemd, Socken, Jacke, Schal, Schuhe und sogar der Hut angezogen wird, bis endlich auch Unterhose und Hose folgt. Welch Folter für meine armen Sehorgane, wenn dann der beinkleidlose Zustand noch dazu genutzt wird, mit der für die Trocknung des Haupthaares zur Verfügung gestellten Fönvorrichtung minutenlang den ganzen Körper minutiös zu beföhnen. Ich wache manchmal schweissgebadet auf, vor dem inneren Auge friedlich ein leichtes Windlein durch greises graues flaumiges und langes Körperhaar wehend. Und schlimmeres. Grüslen, wirklich.
  • Weshalb bringt so mancher Protagonist der gesunden Küche sowohl auf Salat wie auch Brot lustiges Vogelfutterkernenzeug aus?
  • Weshalb sind Vögel in Verbform anrüchig?
  • Um vom ornithologischen Themenkomplex den Bogen nach den physischen Themen zurückzuspannen, bevor ich sämtliche Leser verliere: Weshalb sollte der Mann zum Sporte mit engem Beinkleide erscheinen? Dies mag in wenigen Fällen anwesend Weibsvolk zu erfreuen, sorgt aber in den meisten Fällen für leichte bis ernsthafte Komplikationen*** beim Rest der Augenzeugen. Ernsthaft, ich glaube das geht hin bis zu psychosomatisch begründetem temporärem Erblinden. Ehrlich.
  • Weshalb sollte ich mich je auf diese kleinen praktischen Bänklein in der Umkleidekabine setzen, wenn ich doch genau weiss, von wem mit welch unaussprechlichen, entblössten Körperteilen diese berührt wurden? Man müsste solcherlei Mobiliar  zur Desinfektion ohne Rückstände verbrennen!
  • Woher soll ich denn wissen, dass es sich bei der Gewichtsangabe auf Windelpackungen – es steht da zum Beispiel «3-6kg» – nicht um den maximalen Windelfüllstand sondern um das Gewicht des Kindes handelt?
  • Ergeht betreffend Röstihalbmonden in der Kantine nun nach der Minarettinitiative auch bald ein Verbot?
  • Wird Sojasauce chinesischer Herkunft wirklich aus Menschenhaar gemacht? Und mag dabei  etwa besonders gerne Haar von Ganzkörperföhnern berücksichtigt werden?
  • Weshalb sind immer Männer mit der gefürchteten Kühlschrankblindheit**** geschlagen und niemals Frauen?
  • Benötigt man für Sprachen mit Klicklauten – wie sie in Afrika recht häufig anzutreffen sind – eine Maus?
  • Weshalb denke ich beim Satz ‹es ist herausgestuhlt› sogleich an Aussenaborte?
  • Wann finde ich endlich einmal Zeit, ein Buch über Zeitmanagement zu lesen?

* Prokrastination: Siehe auch Faulersackigkeit.

** Sie wissen ja, was man sagt. Ab dreissig rostet das Chassis. Falls sie es noch nicht wussten, dann wissen sie es jetzt.

*** Ernsthafte Komplikation: Kann in erwähntem  Zusammenhang auch als „explosionsartiges Erbrechen“ gelesen werden.

**** Kühlschrankblindheit ist ein leuchtendes Beispiel selektiver Wahrnehmung. Man (wenn man ein Mann ist) steht also vor dem offenen Kühlgerät wie der vielzitierte Esel am Berg und ist ums Verrecken nicht in der Lage, ein bestimmtes Produkt zu erspähen. Üblicherweise hilft eine sich in Rufweite befindliche weibliche Bewohnerin des gleichen Haushaltes auf freundliche Nachfrage –  ohne wahrnehmbare zeitliche Verzögerung  und zu alledem auch ohne nur einen Blick in den Kühlschrank werfen zu müssen – weiter. Mit dem Resultat, dass man sich kurz wie ein Tubeli fühlt, was man aber dann auch gleich wieder vergisst, da man sich ja nicht auf verschiedene Dinge gleichzeitig konzentrieren kann. Um was ging es gleich nochmal?

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